Konsent vs. Konsens: Wieso es im Team keinen Konsens braucht

Damit Crews erfolgreich zusammenarbeiten können, müssen sie auf geregelter Basis Entscheidungen treffen. Ob zur Verteilung der Rollen, zur Vorgehensweise in einem Projekt oder zur Lösung eines Problems. Dabei sollte ein Ergebnis immer auf einem gemeinsamen Konsens beruhen. Diskussionen enden erst, wenn alle mit dem Ergebnis einverstanden sind – richtig? Falsch. Entgegen dem Glauben vieler Crews ist keine einstimmige Entscheidung nötig, um erfolgreich zum Zielhafen zu segeln. Vielmehr kann dieser Grundsatz dafür sorgen, dass Teams sich in endlosen Meeting-Marathons im Kreis drehen und einzelne Crewmitglieder*innen ihre individuelle Sichtweise erst gar nicht teilen, da sie im klassischen Mehrheitsentscheid nicht gehört oder überstimmt werden. Was es stattdessen braucht, ist Konsent. Was sich im Wort nur um einen einzigen Buchstaben unterscheidet, hebt sich in der Bedeutung klar vom Konsens ab. Wir erklären heute die Unterschiede zwischen Konsens und Konsent, wir zeigen, warum Facilitator*innen großen Wert auf Konsent legen und wie Verständnis und Wertschätzung in diese Gleichung passen.

Was bedeutet eigentlich Konsens?

Das Wort Konsens lässt sich auf den lateinischen Begriff consensus zurückführen, der Einhelligkeit und Übereinstimmung bedeutet. Verfolgt eine Crew das Ziel, einen Konsens zu erreichen, wird grundsätzlich so lange diskutiert, bis jede*r Teilnehmer*in mit der Entscheidung einverstanden ist und ihr aktiv zustimmt. Das Team macht sich auf die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner – das Verständnis und die Wertschätzung der individuellen Sichtweisen werden dabei jedoch außen vor gelassen. Zum Teil werden authentische Sichtweisen sogar erst gar nicht geteilt, aus dem Gefühl, dass ohnehin kein Unterschied dadurch entsteht. Wir kennen diesen Ansatz aus eigenen Erfahrungen im Job, beispielsweise für die weitere Vorgehensweise in einem Projekt. Oft haben die Projektmitarbeitenden individuelle Vorstellungen, die am Ende so weit abgeschwächt werden müssen, dass alle sich auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen können. Das führt oft zu endlosen Diskussionen und einer zähneknirschenden Entscheidung ohne wirkliches kollektives Verständnis.

Und wie wird Konsent definiert?

Konsent unterscheidet sich nur durch einen Buchstaben vom Konsens, die Bedeutung ist jedoch eine gänzlich andere. Der Konsent hat seinen Ursprung in der Soziokratie und sagt aus, dass eine Entscheidung gelten kann, solange niemand einen schwerwiegenden Einwand erhebt.

In der Entscheidungsfindung handelt es sich um **einen begründeten Einwand**, sobald das Ergebnis schädigende Konsequenzen für die Gruppe oder das Team haben oder die Ziele der Crew gefährden kann. Dieser begründete Einwand muss jedoch klar definiert und erklärt werden.

Bedenken und subjektive Ablehnung hingegen schränken die Ergebnisfindung nicht ein. Dabei handelt es sich um unbegründete Einwände.

Kurz zusammengefasst bedeutet das für die Abgrenzung von Konsens zu Konsent: Konsens besteht dann, wenn alle dafür sind, Konsent hingehen bedeutet, dass niemand aktiv in den Widerstand geht.

Die Grundprinzipien des Konsent

Werden Ergebnisse im Konsent erarbeitet, verfolgt die Crew nicht das Ziel, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Vielmehr werden individuelle Sichtweisen wertschätzend vereint, ohne dass dabei Widerstand aufkommt. Die individuelle Meinung darf trotzdem bestehen bleiben. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis zu gestalten, das die Vielfalt der Einzelnen Aspekte in den Vordergrund stellt. Dabei verfolgen Diskussionen mehrere Grundprinzipien:

  • Alle Teilnehmenden finden Gehör.
  • Die Ergebnisfindung wird nicht durch unbegründete Bedenken blockiert.
  • Schwerwiegende Einwände können die Ergebnisfindung beeinflussen, müssen aber begründet sein.
  • Emotionale Blockaden werden thematisiert, auch wenn sie die finale Entscheidung nicht beeinflussen.
  • Durch die Einbeziehung aller Sichtweisen formt sich das gemeinsame Verständnis.

Die Vorteile des Konsent

Legen alle Crewmitglieder ihren Fokus darauf, andere Sichtweisen zu verstehen, Widerstände zu thematisieren und auf wertschätzender Basis gemeinsam ein Ergebnis zu finden, statt von der eigenen Meinung überzeugen zu wollen, bringt das gleich mehrere Vorteile mit sich:

  • Entscheidungen und Ergebnisse werden auf Basis von Wertschätzung, Verständnis und Abwesenheit von Widerständen erarbeitet.
  • Es gibt einen größeren Raum für Verständnis, da nicht alle der einen Sichtweise explizit zustimmen müssen.
  • Individuelle Perspektiven dürfen bestehen bleiben, während ihnen Verständnis in Form von aktivem Zuhören beigemessen wird.
  • Alle Crewmitglieder*innen können ihre Meinung äußern und werden angehört.

Konsent vs. Konsens im Überblick

Konsens erfordert den kleinsten gemeinsamen Nenner, dem alle Teammitglieder*innen zu 100% zustimmen müssen. Während das der Zusammenarbeit den Wind aus den Segeln nehmen und Konflikte befeuern kann, geht es beim Konsent um eine gleichwertige Ergebnisfindung. Konsent und Konsens verfolgen also zwei unterschiedliche Prinzipien.

Dafür steht Konsens:

Dafür steht Konsent:

Warum Facilitator*innen den Konsent in den Mittelpunkt stellen

Konsent sagt uns vor allem eines: Es ist nicht wichtig, eine einzelne richtige Sichtweise zu finden. Vielmehr kommt es darauf an, ein Ergebnis basierend auf Verständnis und Wertschätzung zu erarbeiten – diese Entscheidung muss nicht jedem*r zu 100 Prozent gefallen. Das ist auch gar nicht möglich und beginnt bereits im gemeinsamen Verständnis jedes Teams: Jedes Crewmitglied vertritt individuelle Werte, die im Team schlussendlich zu einem gemeinsam Kollektiv zusammengefügt werden dürfen. Dieses gemeinsame Kollektiv kann sich dabei von den individuellen Sichtweisen abheben. Die jeweiligen Crewmitglieder haben jedoch auch keinen Einspruch gegen sie, sondern bringen Verständnis für ihr Gegenüber auf.

Nach diesem Konzept arbeiten wir auch als Facilitator*innen. Eine der wichtigsten Aufgaben in der Facilitation ist die Erarbeitung von einem gemeinsamen Verständnis, nach dem die gesamte Crew handelt. Um dieses Verständnis aufzubauen, machen wir uns auf den Weg von der individuellen Sichtweise jedes Crewmitglieds zum gemeinsamen Bild. Diesen Weg gehen wir oft mit spielerischen Methoden wie Lego® Serious Play®. Teilgeber*innen eines Workshops sollen zunächst ihre persönlichen Sichtweisen bildlich darstellen. Auf Basis dieser Darstellungen wird im Anschluss ein gemeinsames Modell entwickelt, das die individuelle Sicht in die kollektive Sicht verwandelt. Dabei werden die wichtigsten individuellen Punkte in das kollektive Modell übernommen – dieses kollektive Modell muss nicht in jedem einzelnen Aspekt mit der eigenen Sichtweise übereinstimmen, darf aber auch keinen Widerstand auslösen. Dadurch entsteht ein gemeinsames wertschätzendes Verständnis füreinander und bietet dennoch Raum für Individualität. Es findet also einen Konsent.

Verständnis und Wertschätzung als Basis für Crews

Um wirklich erfolgreich als Team zusammen zu wirken, braucht es eine gemeinsame Basis, eine gemeinsame Identität. Alle Crewmitglieder*innen sollen ein Verständnis füreinander aufbauen und die individuellen Werte der Kolleg*innen wertschätzen. Legen sie den Fokus auf Konsent, lernen Crews die individuellen Denkweisen ihrer Kolleg*innen kennen und verstehen, wieso sie ihnen wichtig sind. So können Crews kollektiv einen Mehrwert schaffen, Wert schöpfen und erfolgreich auf Basis von Wertschätzung, Verständnis und Respekt zusammenarbeiten.

So läuft weiter auch jede zukünftige Ergebnisfindung ab. Statt die Crew von der eigenen Sichtweise überzeugen zu wollen, gilt es, Verständnis für andere Sichtweisen und Einwände aufzubringen. Mit simplen Fragen wie „Was hindert Dich daran, bei der Entscheidung mitzugehen?“ und „Was brauchst Du, um doch mitzugehen?“ kann dieses Verständnis entstehen und Zusammenarbeit kann auf wertschätzender Basis statt finden. Denn individuelle Sichtweisen sollten nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden – sie dürfen gefeiert werden.

Fazit: im Team benötigen wir keinen Konsens, sondern Konsent

In einer Diskussion einen Konsens zu finden, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu erarbeiten, sorgt häufig für lang andauernde Gespräche ohne Verständnis, dafür mit viel Frust auf allen Seiten. Konsent hingegen benötigt keine Einstimmigkeit, sondern nur die Abwesenheit von Widersprüchen. Crewmitglieder dürfen keinen tiefen Widerstand verspüren, müssen aber auch nicht voll zustimmen. Dieser Grundsatz basiert dabei auf Wertschätzung und Verständnis für andere Sichtweisen der Kolleg*innen. Wir müssen nicht immer der gleichen Meinung sein, anderen Meinungen aber Wertschätzung entgegenbringen und auch mal mit Entscheidungen mitgehen, die nicht zu 100 Prozent unserer persönlichen Sichtweise entsprechen, aber mit unseren Werten konform gehen. Facilitation öffnet den Raum für eben diese Diskussionen und die Ergebnisfindung – auf Basis spielerischer Methoden, die Crews aktiv unterstützen und dabei helfen, gemeinsam den Zielhafen zu erreichen.

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