Design Thinking hat sich als Kernhaltung in zahlreichen Unternehmen und Crews etabliert, um komplexe Probleme durch einen tiefen Fokus auf den Menschen lösen zu können und die Förderung von Innovation in den Mittelpunkt zu stellen. Wie können die verschiedenen Werte von Empathie bis Experimentieren jetzt aber in der Praxis abgebildet werden? Wir haben ein Beispiel zusammengestellt: die Gestaltung einer neuen Unternehmens Unique Selling Propositon (USP) mit Hilfe von Design Thinking. Wir zeigen Dir, wie Problem- und Lösungsraum aussahen und welches Ergebnis schlussendlich entstehen durfte.
Einordnung & Vorbereitung des Design Thinking Prozesses
Das Unternehmen zukunftssicher und wettbewerbsfähig positionieren – dieses Ziel hat die Crew eines etablierten Stromanbieters. In einem stark umkämpften Markt galt es, das Ruder in stürmischen Gewässern wieder herumzureißen und auf erfolgreichen Wettbewerbskurs zu gelangen. Mit der Definition von Projekt-Purpose und -Vision startete die Crew ihren Transformationsprozess und legte so die Grundlage, um die strategische Neuausrichtung klar zu kommunizieren und die interne sowie externe Wahrnehmung des Unternehmens zu stärken. Letztendlich kristallisierten sich drei große Herausforderungen für das Unternehmen heraus, die es im Zuge des Design Thinking Prozesses zu meistern galt:
- Abheben von der Konkurrenz in einem gesättigten und stark umkämpften Markt mit klarer Produktstrategie, die sowohl differenziert als auch nachhaltig und zukunftsorientiert ist
- Stärkung der Loyalität von Bestandskunden durch Produkte und Dienstleistungen, die ein nahtloses, positives Kundenerlebnis bieten und den Kundenbedürfnissen entsprechen
- Nachhaltigkeit im Mittelpunkt durch nachhaltige Praktiken in der Geschäftsstrategie und innovative Lösungen für Kund*innen
Die Zielsetzung des Projekts war damit klar: Es durfte eine neue, klare und überzeugende Produkt- und anschließende Unternehmensstrategie entwickelt werden, die den aktuellen und zukünftigen Marktanforderungen entspricht und dabei einen klaren Fokus auf Bestandskund*innen und die Entwicklung maßgeschneiderter Produkte entsprechend den Kundenanforderungen legt.
Warum Design Thinking mit externer Begleitung?
Zu Beginn jedes Transformationsprozesses stellt sich die Frage: Brauchen wir externe Begleitung für unser Vorhaben? In vielen Fällen lautet die Antwort Ja – aus verschiedenen Gründen:
- Die Begleitung eines Transformationsprozesses durch externe Facilitator*innen bringt neue Perspektiven und einen wichtigen Blick von außen in das Unternehmen.
- Facilitator*innen bringen Methodenexpertise und Erfahrung im Navigieren stürmischer Seefahrten mit und holen die Crew an ihrem individuellen Starthafen ab.
- Bei internen Prozessen besteht immer das Risiko der Betriebsblindheit. Eine externe Begleitung minimiert durch Erfahrung in Abläufen unterschiedlicher Crews dieses Risiko.
- Facilitator*innen ermöglichen eine prozessuale und gruppendynamische Begleitung während der gesamten Transformation.

Der Design Thinking Prozess als Beispiel auf hoher See: Phasen und Methoden
Einer der Werte im Design Thinking heißt Kollaboration: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Crewmitglieder*innen verschiedener Crews schafft eine wichtige Basis für kreativen Austausch. Aus diesem Grund wurde eine Crew aus 15 Personen verschiedener Bereiche zusammengestellt. Um einerseits eine klare Projektvision zu erarbeiten und andererseits eine Crewidentität und gemeinsame Werte zu definieren, begann der Prozess mit einem dreitägigen Teambuilding Kick-Off. Am Ende dieses Kick-Offs stand nicht nur eine kohäsive Crew mit klarem Ziel und kollektiven Werten, sondern auch klare Arbeitsprozesse und eine Roadmap für das weitere Vorgehen im Problem- und Lösungsraum.
Problemraum: Bedürfnisse und Probleme verstehen
Der Problemraum hatte das Ziel, die Bedürfnisse und Probleme der Kund*innen zu verstehen und so die Grundlage für die Entwicklung innovativer und kundenorientierter Lösungen zu schaffen. Umgesetzt wurde das in drei Phasen, die in eine 3-wöchige Recherchezeit und einen 3-tägigen Workshop eingeteilt waren.
Diese Phasen sind klassischer Bestandteil des Design Thinking Prozesses. Die Crew durchläuft in der Regel die Design Challenge, den Problem- und anschließend den Lösungsraum, um so vom definierten Problem zum Zielhafen einer innovativen Lösung zu gelangen.
Phase 1: Verstehen & Beobachten
Erste Aufgabe der Crew war es, die Probleme und Bedürfnisse der Kund*innen zu analysieren und zu verstehen. In der 3-wöchigen Recherchezeit kamen dafür verschiedene Methoden von Interviews über Beobachten bis zu Cultural Probes zum Einsatz.
Durch Interviews mit bestehenden und potenziellen Kund*innen erhielten die Teilgebenden Einblicke in die aktuelle Nutzungserfahrung, Schwierigkeiten und Erwartungen. Diese konnten sie durch direkte Beobachtungen im Alltag sowie Cultural Probes noch besser verstehen und spezifische Verhaltensmuster erkennen.
Am Ende der 3-wöchigen Recherchezeit stand ein ganzheitliches Bild der Kundenperspektiven sowie Einblicke in explizite und implizite Bedürfnisse der Kund*innen, die als Grundlage für die nächste Phase dienten.
Phase 2: Sichtweise definieren
Die gesammelten Ergebnisse der Verstehen & Beobachten Phase durfte die Crew anschließend in einem 3-tägigen Workshop auswerten. Um die Verhaltensmuster und Kundenreisen zu verstehen und damit eine Grundlage für den weiteren Designprozess zu schaffen, wurden Design Personas und eine Customer Journey Map erstellt.
In der Auswertung kamen verschiedene Perspektiven-Hüte, etwa „Emotionen und Motivation“ oder „Berührungspunkte mit dem Produkt“ zum Einsatz. Dadurch entstand eine systemische Sicht auf die Probleme sowie ein besseres Verständnis für Komplexität der Kundenbedürfnisse und Verhaltensweisen. Entstanden sind daraus wiederum Design Personas und eine Customer Journey Map.
Der “autonome Ingenieur” wünscht sich beispielsweise eine transparente Übersicht über seinen Stromverbrauch und möchte selbst die Kontrolle über seine Situation haben, etwa durch smarte Helfer.
Auf der anderen Seite steht zum Beispiel der “Pfennigfuchser”, dem vor allem seine Kosten wichtig sind. Muss er mehr bezahlen, wechselt er schnell seinen Stromanbieter.
Während die Design Personas konkrete Verhaltensmuster, Bedürfnisse und Motivationen widerspiegeln, standen in der Customer Journey Map die Erfahrungen der Kund*innen über mehrere Berührungspunkte hinweg im Mittelpunkt. Schnell wurde hier zum Beispiel klar: Die Kundenreise geht weit über die Stromabrechnung hinaus.
Als Grundlage für den Lösungsraum, die zukünftige Forschung und weitere Design Sprints formulierte die Crew außerdem erste Versionen der Leitfragen. Sie hatten zum Ziel, noch tiefer in die Kundenbedürfnisse einzusteigen und mögliche Innovationsfelder zu identifizieren.
Phase 3: Ergebnisse & weitere Vorbereitung
Entstanden ist am Ende des Problemraums ein klares Verständnis der Probleme und Bedürfnisse verschiedener Kund*innen. Es zeigte sich einerseits teils ambivalentes Verhalten, aber auch die Bereitschaft zu Veränderung bei entsprechendem Bewusstsein. Besonders beeinflusst wurde die Customer Journey durch emotionale Auslöser. Auf Basis dieser Ergebnisse, der Design Personas und der Customer Journey durfte die Crew nun drei weitere Schritte gehen.
- Sie erarbeitete konkrete Point of View Statements und priorisierte die drei wichtigsten.
- Aus der Customer Journey Map durfte eine Sprint Map entstehen, die als Grundlage für den anschließenden Lösungsraum dient. Statt auf der ganzheitlichen Kundenreise liegt der Fokus in einer Sprint Map auf spezifischen Kontaktpunkten und Interaktionen aller Prozess-Akteure, sodass die Crew Opportunity Areas wie Überlegung, Nutzung und Abrechnung definieren konnte.
- Auf Basis der Sprint Map konnte außerdem das übergeordnete Ziel definiert werden: Es soll langfristig eine vertrauensvolle und angenehme Beziehung zu den Kund*innen aufgebaut werden.
Die POV Statements, die Sprint Map und das übergeordnete Ziel bleiben für den restlichen Prozess unverändert und bilden so die Basis für die folgenden Kreativworkshops.
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Lösungsraum: Entwicklung und Tests innovativer Lösungen
Aufbauend auf den Ergebnissen des Problemraums konnte die Crew im Lösungsraum im Rahmen von 6 aufeinanderfolgenden Design Sprints an der Entwicklung und an Tests innovativer Lösungen arbeiten. Konkret ging es hier um eine App, deren Funktionen und Services den Kundenwünschen und -bedürfnissen entspricht.
Zusätzlich zur üblichen Design Sprint Methodenabfolge kam hier die Value Proposition Canvas für den Einstieg zum Einsatz. Zu Beginn wurde deshalb vor jedem Sprint ein neuer Fokusbereich auf der Customer Journey Map gewählt, zu dem eine Value Proposition Canvas erstellt wurde. Ziel war es, durch die Canvas einen stärkeren Fokus auf die zu gestaltenden Nutzerversprechen zu legen. Der 3-tägige Design Sprint wurde im Anschluss in 3 Phasen eingeteilt.
Phase 1: Ideenfindung
Im ersten Schritt ging es darum, erste Ideen zu sammeln, auf deren Basis die Crew einen Prototypen für die App erarbeiten konnte. Mit Methoden wie Lightning Demos, Crazy 8s und Skizzen durften zahlreiche Ideen gesammelt werden. Zum Abschluss fand eine gemeinsame Bewertung der Ideen anhand einer Heat Map statt. Die besten Ideen wurden mit Punkten markiert und als Grundlage für die Weiterentwicklung verwendet.
Phase 2: Prototyp
Damit ein testbarer Prototyp entstehen konnte, in dem die gewählten Nutzerversprechen visuell dargestellt wurden, kamen in der zweiten Phase zwei weitere Methoden zum Einsatz.
- Storyboarding: Ein detailliertes Storyboard beschrieb die Nutzerreise durch den Prototyp. So konnte die Crew die Nutzerinteraktionen visualisieren und sicherstellen, dass alle wichtigen Punkte integriert waren.
- Prototyping: Auf Basis des Storyboards erstellte die Crew einen ersten App-Prototypen. Durch den „Fake it till you make it“ Ansatz konnte schnell und effizient ein erstes, realistisches Modell entstehen, das durch regelmäßige Feedbackrunden kontinuierlich verbessert wurde.
Phase 3: Testen
In der dritten Phase kamen reale Nutzer*innen ins Spiel. Sie durften den entwickelten Prototypen testen und Feedback geben, sodass die Crew Verbesserungspotenzial identifizieren konnte. Durch Benutzertests, Interviews und Beobachtungen konnte die Crew Erfahrungen und Meinungen der Nutzer*innen sammeln und Möglichkeiten zur Optimierung erkennen.
Im Zuge einer Reflexionsrunde wurde im Anschluss das Feedback ausgewertet, die wichtigsten Verbesserungsvorschläge und Erkenntnisse wurden dokumentiert und dienten als Basis für die Planung des nächsten Design Sprints.
Die einzelnen Phasen wiederholte die Crew über mehrere Workshops. So konnte sie den Fokus auf verschiedene Bereiche der Sprint Map legen und einen ganzheitlichen Prototypen erarbeiten, der Kundenversprechen visuell darstellte und gleichzeitig immer wieder direkt durch Kund*innen getestet wurde.
Ein ganzheitliches Konzept als Abschluss
Ein abschließender Workshop diente schließlich dazu, alle Ergebnisse der bisherigen Design Sprints zusammenzuführen, sodass ein einheitliches, hochdetailliertes Konzept entstehen konnte. Dieses entstand in drei Schritten.
- Gestaltung eines Hi-Fidelity Prototypen: Alle Erkenntnisse aus den Design Sprints durften zunächst gesammelt und die entwickelten Ideen in ein kohärentes Konzept integriert werden, indem die besten Elemente der einzelnen Prototypen ausgewählt wurden – den sogenannten Hi-Fidelity Prototypen. Besonderer Fokus lag dabei auf den identifizierten Pain Points und den positiven Rückmeldungen durch Nutzer*innen. Ziel war es, die Vision und Nutzerversprechen des Unternehmens klar und überzeugend darzustellen und eine detaillierte und realitätsnahe Abbildung der finalen App zu entwickeln. Auch hier kam wieder ein Storyboard zum Einsatz, das alle Nutzererfahrungen und -interaktionen abbildete. Besondere Aufmerksamkeit widmete die Crew bei der Entwicklung des Hi-Fidelity Prototypen vor allem der Benutzerfreundlichkeit und einem ästhetischen Design.
- Nutzerversprechen diskutieren: Mit Hilfe einer Matrix diskutierte die Crew außerdem die erarbeiteten Nutzerversprechen. Erfüllen sie wirklich die Kundenbedürfnisse optimal und unterstützen zeitgleich die Unternehmensziele? Anhand der Matrix konnte eine systematische Bewertung und Priorisierung erfolgen. Schlussendlich konnten die Versprechen verfeinert werden: mit klarem Fokus darauf, dass sie realistisch und umsetzbar waren.
- USP & Experience Principles definieren: Zum Abschluss des Workshops durfte die Crew den finalen USP sowie mehrere Experience Principles definieren. Während der USP dabei die Kernidee darstellt und das Unternehmen von der Konkurrenz abhebt, bilden die Experience Principles Leitlinien für die zukünftigen Interaktionen und Entwicklungen des Unternehmens, zum Beispiel:
- Be human: Immer persönlich und authentisch sein.
- Be proactive: Den Kunden mit initiativem Handeln überraschen.
Die Grundlage für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens war geschaffen – das abschließende, umfassende und kohärente Konzept integrierte dabei alle gewonnenen Erkenntnisse. Anhand des Hi-Fidelity Prototypen, der klaren Nutzerversprechen und der Experience Principles kann das Unternehmen eine ansprechende und konsistente Kundenerfahrung schaffen und sich damit optimal am Markt positionieren.
Ergebnisse im Überblick
Nach insgesamt 12 Wochen war die Crew an ihrem Zielhafen angelangt. Sie hatte auf Basis des Design Thinking Ansatzes gemeinsame Werte und eine Projektvision erarbeitet, im Problemraum die Bedürfnisse von Kund*innen definiert und analysiert und anschließend im Lösungsraum in mehreren Design Sprints einen ganzheitlichen App-Prototypen erarbeitet, der bereits anhand von Kundenfeedback optimiert wurde. Abschließend entstand zudem der klare USP des Unternehmens sowie mehrere Experience Principles, die als zukünftige Leitlinien dienen.
Während diese Ergebnisse kurzfristig und greifbar waren, konnten sich jedoch auch langfristige Resultate abzeichnen. Die Crew hat für die Zukunft einen klaren Fokus auf eine App-basierte Strategie gelegt und die Steigerung der Kundenzufriedenheit und -loyalität in den Mittelpunkt gestellt. Auch am Markt ist das Unternehmen heute als innovative Firma mit führender Rolle positioniert. Innerhalb der Unternehmenskultur wiederum wurde die strategische Neuausrichtung angenommen: Es entstand eine kunden- und lösungsorientierte Kultur. Zudem hat die Adaption der Design Thinking Kernhaltung die interdisziplinäre Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen gestärkt.
![Workshop mit [E]mpulse](https://www.empulse.rocks/wp-content/uploads/2021/04/Workshop-1024x576.jpg)
Eine neue Unternehmenskultur durch Design Thinking
Design Thinking ist mehr als nur eine Mischung aus Methoden, um etwas Neues zu entwickeln. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Grundhaltung, die auch auf strategischer Ebene greift und die nicht nur die Crew im Workshop, sondern das gesamte Unternehmen adaptieren darf. Die Basis bildet dabei vor allem Offenheit. Offenheit gegenüber neuen Ideen, gegenüber Ungewissheit, gegenüber verschiedenen Meinungen und vor allem Offenheit gegenüber Fehlern. Crews, die nach dem Design Thinking Ansatz agieren, sind oft deutlich innovativer und in unsicheren Gewässern durch ständigen Wandel besser gewappnet. Außerdem werden Kund*innen aktiv in die Unternehmenskultur eingebunden. Statt sie als außenstehende wahrzunehmen, werden ihre Bedürfnisse und ihr Feedback aktiv in Entwicklungs- und Innovationsprozesse eingebunden. Das stärkt die Crew in ihrer Entwicklung, aber auch die Loyalität der Kund*innen.
Fazit: Design Thinking als Beispiel für innovative Transformation im Unternehmen
Der Design Thinking Prozess zeigt deutlich, wie innovative Ansätze Unternehmen transformieren können. Durch die Kombination von Empathie, interdisziplinärer Zusammenarbeit und iterativer Entwicklung gelang es der Crew, nicht nur eine klare USP zu definieren, sondern auch eine zukunftsweisende, kundenorientierte Strategie zu entwickeln. Der Fokus auf Bedürfnisse und Erfahrungen der Kund*innen führte zu einem hochfunktionalen App-Prototypen und nachhaltigen Prinzipien, die interne Strukturen und Marktpräsenz gleichermaßen stärkten. Dieses Beispiel unterstreicht, wie Design Thinking Unternehmen dabei unterstützt, sich in gesättigten Märkten abzuheben, Kundenloyalität zu stärken und langfristig als innovative und lösungsorientierte Organisationen zu agieren.